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Nichts gegen genügend Action und eine aktive Freizeitgestaltung. Das kann sehr befriedigend sein. Wenn es Zeiten gibt, in denen man auch mal die Seele baumeln lassen kann. Nichtstun. Ruhe. «Laaaaangweilig!», tönt es aus dem Kinderzimmer. Oder bedeutet Ruhe vielleicht doch nicht nur die grosse Leere? Unsere Blog-Reihe zum Thema Achtsamkeit setzt sich mit dieser Frage auseinander und bietet Anregungen zum Runterfahren und Auftanken im Familienalltag. Den ersten Text zu dieser Blog-Serie verdanken wir Tanja Polli:

Das Leben unserer Kinder hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren enorm verändert: Am Morgen geht’s früh in die Krippe, den Kindergarten oder die Schule. Fürs Mittagessen bleibt oft nicht viel Zeit und auch die Nachmittage sind häufig durchgetaktet. Kommen noch Prüfungen dazu oder Streit mit Freundinnen oder Freunden, zeigen schon kleine Kinder typische Stressreaktionen wie Schlaflosigkeit, Unruhe oder gar Kopf- und Bauchschmerzen. Meditation ist ein wunderbares Mittel, Kindern im Alltag Ruhe zu schenken. Die Wirkung ist wissenschaftlich belegt: Kinder, die meditieren, leiden seltener an Kopf- und Rückenschmerzen, sind selbstbewusster und weniger ängstlich, sogar die Wahrscheinlichkeit übergewichtig zu werden, soll sinken. Klingt toll, nicht? Und das Beste: Es funktioniert auch ohne Lotussitz.

In den alten Yogaschriften bedeutet «Dhyana», das wir mit «Meditation» übersetzen, nichts anderes als Betrachten, Nach-innen-wenden und Bedenken. Nehmen wir Meditation also wortwörtlich, wird schnell klar, dass es keine untere Altersgrenze für Achtsamkeitsübungen gibt. Ein dreijähriges Kind, dass minutenlang am Wegrand sitzt und mit ganzer Aufmerksamkeit einen Käfer beobachtet, meditiert. Es macht, was wir mit dem älter werden oft verlernen: Ganz bei einer Sache zu sein. Heute verlieren aufgrund der Reizüberflutung und dem stressigen Alltag schon viele Kinder diese Fähigkeit. Zum Glück lässt sich Achtsamsein aber trainieren. Denn auch wenn es nicht danach aussieht: Meditieren ist ein hochaktiver Prozess, etwas, dass man üben kann und muss. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass aufmerksamer wird, wer seine Achtsamkeit regelmässig schult.

Meditieren mit Kindern ist ganz einfach:

Bauchatmung
Legen Sie sich mit ihrem Kind oder als ganze Familie auf den Boden. Legen sie sich gegenseitig eine Hand auf den Bauch. Schliessen Sie die Augen und nehmen sie die Atembewegungen des anderen wahr. Wenn sie merken, dass das Kind unruhig wird, bitten Sie es, die Hand noch auf den eigenen Bauch zu legen und zu spüren, wie der eigene Atem fliesst. Sprechen Sie danach darüber, was sie gespürt haben.

Klangmeditation
Setzen sie sich im Kreis auf den Boden oder ein Kissen. Alle schliessen die Augen. Schlagen Sie dann eine Klangschale, einen Triangel oder ein grosses Glas an und horchen sie gemeinsam, wie lange der Ton zu hören ist. Ist der Ton verklungen, versuchen alle, zu hören, was man in der Stille hören kann. Den Hund des Nachbarn vielleicht, vorbeifahrende Autos oder das Knurren des eigenen Magens. Berichten Sie sich nach ein, zwei Minuten gegenseitig, was sie gehört haben.

Mantra-Meditation
Praktizieren Sie selber Yoga? Auch einfache Mantra-Meditationen eignet sich für Kinder. Setzen sich mit ihrem Kind, ihren Kindern in einen Kreis. Schliessen sie die Augen und wiederholen sie mit jedem Ausatmen ein Mantra. Das kann OM sein oder auch einfach «Ruhe». Grössere Kinder können versuchen, innerlich mit der Einatmung «Lass» mit der Ausatmung «Los» zu rezitieren.

Lichtmeditation
Vor allem im Winter ist die Lichtmeditation ein schöner Abschluss eines hektischen Tages. Setzen sie sich in einen Kreis, stellen Sie in der Mitte eine Kerze auf. Betrachten Sie die Kerzenflamme ein, zwei Minuten lang und schliessen Sie danach die Augen. Betrachten Sie, welche Bilder Sie nun mit geschlossenen Augen sehen können.

Mit Kindern bis zum Alter von ungefähr zehn Jahren reicht es völlig, drei bis fünf Minuten zu üben. Kinder erreichen sehr viel schneller als Erwachsene einen tiefenentspannten Geisteszustand. Um in den Genuss der wunderbaren Wirkungen der Meditation zu kommen, ist es aber wichtig, regelmässig zu praktizieren. Viel Spass!

Tanja Polli ist freie Journalistin, Yogalehrerin und (Mit-)Inhaberin des Yogastudios Yoga Tössfeld. Sie gibt unter anderem Yoga-Kurse für Kinder und Teens und übt mit ihnen auch Meditieren. Zudem ist sie Mutter von zwei erwachsenen Jungs. Sie lebt mit ihrer Familie in Winterthur.