Pünktlich zum Vater-Tag vom kommenden Sonntag startet diese Woche unsere Serie Papa-Blog. Hier gehts in regelmässigen Abständen um das Familienleben in Winterthur aus männlicher Sicht. Den heutigen Papa-Blog verdanken wir Marco Hollenstein, das Bild stammt von der Fotografin Sanna Heikintalo.

 

Vatertag: Was gibts zu feiern?

Die Blumen sind verwelkt, die Pralinen verspiesen und die Basteleien setzen langsam Staub an. Der Muttertag 2017 ist Geschichte. – Hoch lebe der Vatertag!
Doch ist eine blosse Kopie erstrebenswert, wenn das Original schon nicht mehr dem Zeitgeist entspricht? Der Muttertag ist dem traditionellen Familienmodell verpflichtet, wonach Papa bezahlt arbeitet und Mama unbezahlt für Kinder und Haushalt sorgt. Modern ist – respektive von Familien am meisten gelebt wird – heute aber das «traditionelle Familienmodell plus» – sprich Papa arbeitet wie bisher 100 Prozent, während Mama neben der Kinder- und Hausarbeit zusätzlich noch im Niedrigpensum etwas Geld dazuverdienen darf. Das sagt die BFS-Statistik Familien in der Schweiz 2017.

Der Muttertag hat seinen Ursprung in den 1860er-Jahren im amerikanischen Bürgerkrieg und wurde 1914 in den USA zum nationalen Feiertag erhoben. In den Augen seiner Gründerin nahm

© Sanna Heikintalo

er schon kurz darauf die falsche Abzweigung und entfernte sich – befeuert vom Geschäftssinn der Konditoren und Floristen – rasant vom ursprünglichen Zweck der neutralen Hilfe an (kriegs-)verwundeten Söhnen (und Töchtern). Als der Muttertag 1930 zum ersten Mal in der Schweiz stattfindet, kämpft seine Gründerin in den USA wegen der von ihr keinesfalls gewollten Kommerzialisierung jedenfalls bereits mehrere Jahre für seine Abschaffung. Nachzulesen im Artikel von Ruth Haener «Wie die Mutter zu ihrem Tag kam» in der NZZ vom 14. Mai 2017.

Warum aber wird gut 100 Jahre später immer noch gefeiert, was nie so gewollt war? Aus schlechtem Gewissen, weil Mama in der Theorie eigentlich ja schon nicht alles machen müsste? Aus Tradition, weil wir das schon immer so gemacht haben? Oder aus kommerziellen Gründen, weil der Festtag mittlerweile im Blumen- und Süsswarengeschäft gewaltige Umsätze generiert?

Klar ist, die Arbeit der Mütter soll in keiner Weise herabgesetzt werden. Aber ist nicht genau das eine mögliche Folge des Muttertags? Indem wir Mama kurz danke sagen und aus schlechtem Gewissen ein paar Tulpen nachschieben, damit für den Rest des Jahres wieder Ruhe ist? Und was gibts seit 2007 eigentlich am Vatertag genau zu feiern? Sagen wir dann Papa schön danke, dass er Vollzeit arbeitet (über 90 Prozent der Väter! Statistik Bfs) und darum eigentlich kaum Zeit hat für seine Kinder?

Wenn schon feiern, wäre ein Familientag wohl zukunftsgerichteter. Und als Dankeschön und Anerkennung gäbe es für Mütter (und Väter!!) endlich mehr Teilzeitstellen, Job-Sharing für Kader und flexible Arbeitszeitmodelle. Das nützt im Familienalltag nämlich mehr als ein Blumenstrauss pro Jahr.

Marco Hollenstein ist Hausmann und Jurist. Er lebt in Winterthur. Die Betreuung der vier gemeinsamen Kinder sowie die Haus- und Erwerbsarbeit teilt er sich gleichberechtigt mit seiner Frau.