Im Papa-Blog geht es in regelmässigen Abständen um das Familienleben in Winterthur aus männlicher Sicht. Den heutigen Papa-Blog verdanken wir Marco Hollenstein.

Mehr Urlaub für Papa?

Urlaub ist gut. Mehr Urlaub ist besser. Das zumindest im Grundsatz. Denn geht es um Vaterschaftsurlaub, scheint es keinen gemeinsamen Nenner zu geben. Die Schweiz sei bezüglich Vaterschaftsurlaub ein «Entwicklungsland», findet der Verein «Vaterschaftsurlaub jetzt!». Der Bundesrat hingegen sieht keinen Handlungsbedarf. Und die politischen Parteien bewegen sich irgendwo dazwischen.

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Was wollen die Väter? Wunsch und Wirklichkeit divergieren offenbar stark. Mehr als 90 Prozent wünschen sich mehr Zeit für die Familie (Pro Familia Schweiz, 2011). 81 Prozent befürworten einen bezahlten Vaterschaftsurlaub (Travail-Suisse, 2015). Und trotzdem arbeiten nicht einmal 10 Prozent der Väter tatsächlich Teilzeit (Bundesamt für Statistik, 2013).

Die Situation ist also komplex. Wie auch das Familienleben. Der Verein «Vaterschaftsurlaub jetzt!» und mit ihm 160 Organisationen fordern via Volksinitiative einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von 20 Tagen, flexibel zu beziehen im ersten Lebensjahr des Kindes, finanziert wie der Mutterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung. Im Parlament kursieren mehrere abgeschwächte Varianten zu dieser Maximalforderung, unter anderem auch der Vorschlag, den jetzigen Mutterschaftsurlaub als Elternzeit in dem Sinne zu flexibilisieren, dass ein Teil der 14 Wochen vom Vater bezogen werden kann.

Die Initiative ist aus verschiedenen Gründen wohl kaum mehrheitsfähig. Ob das schlimm ist, bleibe dahingestellt. Interessant ist in diesem Zusammenhang nämlich die Feststellung, dass europaweit zahlreiche Väter die ihnen zustehende, vom Staat bezahlte Auszeit unabhängig von deren Dauer gar nicht wahrnehmen («Warum Väter lieber arbeiten»). Was wiederum zur Frage führt, ob es überhaupt Aufgabe des Staates beziehungsweise der Gesamtbevölkerung und damit auch aller Kinderlosen ist, Vätern nach der Geburt bezahlte Freitage zu finanzieren. Oder ob es aufgrund der Vielfalt der gelebten Familienmodelle nicht den Eltern und Arbeitgebern überlassen werden soll, wie lange Papa nach der Geburt zuhause bleibt, indem er Ferien, Überzeit oder unbezahlten Urlaub bezieht. Zugespitzt formuliert: Wer wirklich will, frühzeitig plant und Prioritäten setzt, kann auch heute schon nach der Geburt eines Kindes die erste Zeit zuhause verbringen.

Unter dem Strich ist ein Vaterschaftsurlaub, wie lange auch immer, ohnehin nicht mehr als ein guter Anfang. Weiter aufgebaut und gelebt werden die Vaterrolle und die Beziehung zum Kind dann in all den kommenden Jahren. Und da ist Papa leider allzu oft längst wieder Vollzeit am Arbeiten.

Marco Hollenstein ist Hausmann und Jurist. Er lebt in Winterthur. Die Betreuung der vier gemeinsamen Kinder sowie die Haus- und Erwerbsarbeit teilt er sich gleichberechtigt mit
seiner Frau.