© WingTsun Schulen Andy Börsig

Selbstverteidigung von Frauen für Mädchen: Was braucht es, damit sich die Mädchen und jungen Frauen wehren und sich schützen können, wenn es drauf ankommt? Damit sie lernen, notfalls auch ihren Körper zur Verteidigung einzusetzen – wenn man ihnen immer gesagt hat, dass sie nicht hauen dürfen? Mentale Stärke, sagt Andy Börsig. Und die kann man erarbeiten. Dieser Blog-Beitrag stammt von Andy Börsig, WingTsun-Lehrer und Gründer der Winterthurer WingTsun Schule Andy Börsig.

Kürzlich fragte mich eine Mutter, wie ich ihrer Tochter mit Wing Tsun denn zu mehr Selbstvertrauen verhelfen kann. WingTsun ist dazu tatsächlich bestens geeignet, es wurde nämlich von zwei Frauen erfunden. Sprich: Chancen gegen grössere und stärkere Männer! Von entscheidender Bedeutung ist dabei die mentale Stärke. In erster Linie geht es um eine Verhaltensänderung, und das braucht seine Zeit. Eine Fremdsprache lernt man auch nicht von heute auf morgen. Aber durch regelmässiges Üben in einer WingTsun-Selbstverteidigungschule, die viel Wert auf Selbstbehauptung legt, sollte dies möglich sein. Dabei kommt das erste Prinzip zum tragen, es lautet: Ist der Weg frei, gehe vor. Alle Bewegungen sind nach vorne ausgelegt: Die Hände, die Grenzen setzen, ein aufgerichteter Körper und eine laute Stimme, die schreit: «Lass mich in Ruhe!»

Seit Anbeginn der Menschheit, als die Menschen ums Überleben kämpften, ist tief in unserem Innern das Fight-or-Flight-Prinzip (kämpfe oder flüchte) verankert. Persönlich finde ich – egal wie stark man ist -, flüchten die beste Option. (Das gilt übrigens nur bei pubertierenden Jugendlichen als feige). Was auf keinen Fall passieren darf, ist in Schockstarre zu geraten, welche uns vor Angst lähmt. Im Unterricht üben wir, wie man sich verhalten soll, wenn sich ein Angreifer nähert. Wir lernen, unsere Grenzen zu verteidigen, indem wir beide Arme nach vorne heben und einen Schritt nach vorne gehen. Damit uns unsere Angst nicht lähmt, schreien wir ihn mit lauter Stimme an und bewegen unsere Hände, damit uns das Adrenalin nicht lähmt.

Am Anfang des Unterrichts wird jeweils die Form geübt, welche eine gerade Haltung voraussetzt und auch sonst zur körperlichen Gesundheit beiträgt. Dabei kommen wir in Kontakt mit dem Boden und haben einen stabilen Stand und aufrechten Körper, welcher für die Selbstbehauptung enorme Vorteile bringt. Eine selbstbewusste Frau wird weniger angegriffen, angefasst und gemobbt, weil sie dank ihrer Ausstrahlung keine Opferhaltung mehr einnimmt!

Ein anderer Teil des Unterrichts beinhaltet einfache Techniken – eigentlich Prinzipien – gegen Handgelenk: halten, umklammern et cetera. Dabei ist es für die mentale Stärke sehr wichtig zu vermitteln, dass die Frau immer eine Chance hat! Egal, wie gross und kräftig das Gegenüber ist. Mit diesen Aha- und Erfolgserlebnissen steigt bei einigen schon das Selbstvertrauen.

Natürlich ist es besser, den lästigen Rempler und Anfasser gar nicht so nah an sich herankommen zu lassen. Hierbei übt man im Training Verhaltensweisen, was zu tun ist, wenn jemand zu nahe kommt. Auch hierbei ist die aufrechte Körperhaltung von entscheidender Bedeutung und wird ergänzt mit Gestik. Also beide Hände nach vorne nehmen (Grenzen setzten), Mimik (ganz böse schauen) und ganz wichtig: die Stimme. Ein lautes «Stopp! Lassen Sie mich in Ruhe!», oder in der Schule «Hans, hör auf mich zu schubsen!» vermittelt dem Angreifer, das er es nicht mit einem Mädchen zu tun hat, dass sich alles gefallen lässt. Wenn er halbwegs intelligent ist, hört er auf. Für den Fall, dass er nicht aufhört, üben wir an Pratzen und Polstern Schlagtechniken. Wenn frau sich bewusst wird, wie viel Power sie hat, steigert auch das ihr Selbstvertrauen, und das spürt auch ihr Angreifer!

Viel diskutiert in Schulen: Darf ich schlagen, wenn ich belästigt werde? Gegenfrage: Muss ich mich von anderen beleidigen oder im schlimmsten Fall anfassen lassen? Nachdem ich einem Täter ja deutlich mit meiner Haltung und Stimme zu verstehen gegeben habe, dass ich das nicht will. Manchmal muss man sich körperlich wehren, damit andere es verstehen und merken, dass sie es mit keinem Opfer zu tun haben!

Andy Börsig ist WingTsun-Lehrer und eröffnete 1994 die Winterthurer WingTsun-Schule Andy Börsig, in welcher er die Chinesische Kampfkunst vermittelt. Seine Schwerpunkte sind Selbstverteidigung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Selbstbehauptungslehrgänge für Kinder und Kurse mit dem Fokus auf Prävention in Schulen und Firmen.