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Corona-Stress: Die Anspannung, die uns alle seit Monaten begleitet, wirkt sich auch aufs Familienleben aus. Mal stärker, mal schwächer. Maya Risch, Familienberaterin und Sprachheilkindergärtnerin in Winterthur, schenkt euch in diesem Blogbeitrag ihre Tipps gegen den latenten Corona-Stress.

Seit Monaten erleben wir durch die bestehende Pandemiesituation viel Unsicherheit, müssen enorm flexibel und anpassungsbereit bleiben. Wir leben mit der Anforderung, uns immer wieder neu zu orientieren, weil Massnahmen ändern, wir auf Testergebnisse warten müssen, wir anderer Meinung als unsere Freunde oder Familie sind, finanzielle Sorgen haben oder sogar unsere Existenz bedroht ist. Und: Wir alle wissen nicht, wann diese Krise vorbei ist. Bei den meisten von uns ist die Situation zumindest mit einer latenten Anspannung verbunden. Manche erleben es auch als chronischen Stress.

Um mental möglichst gut durch die kommenden Wochen und vielleicht sogar Monate zu kommen, können wir selber dazu beitragen, unser Nervensystem zu regulieren und so Stress von aussen etwas zu reduzieren.

Zum Beispiel durch bewusstes Entspannen. Es ist wichtig, dass dieses System zwischendurch etwas zur Ruhe kommen kann und eine Pause von der Anspannung erhält. Denn wir bleiben nur im Gleichgewicht, wenn unser Nervensystem nach einer Anspannung oder Stresssituation auch wieder herunterfahren und sich entspannen kann. Sonst wird der Stress chronisch.

Wie Kinder auf den Corona-Stress reagieren

In meiner Familie und auch in meinen Elternberatungen zeigt sich, dass auch viele Kinder zunehmend auf die Daueranspannung der Coronakrise reagieren. Bei  vielen hat sich der Alltag verändert. Sie sehen oft nur Augen und Masken statt ganze Gesichter und haben oft weniger Kontakt zu Gleichaltrigen. Bei Jugendlichen fällt der Sport zum Teil weg. Auf Stress und Anspannung reagieren Kinder und Jugendliche ganz unterschiedlich. Die einen reagieren mit Unruhe, Gereiztheit oder Aggression, andere entwickeln Ängste, wieder andere zeigen ein erhöhte Sicherheitsbedürfnis und verlangen zum Beispiel nach mehr physischer Nähe.

Wie können wir unsere Kinder dabei unterstützen, in dieser Zeit im Gleichgewicht zu bleiben? Und wie finden wir selber die nötige Entspannung dafür? Die meisten dieser Ideen sind  in Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Eltern entstanden und wurden auch schon in deren Alltag erfolgreich erprobt.

So finden Kinder Entspannung im Alltag

Kinder sind sehr verschieden. Probieren Sie aus und beobachten Sie, worauf Ihr Kind reagiert: Dass es sich entspannt, zeigt sich, wenn es ruhig wird oder auch, wenn sich die Anspannung des Körpers löst.

Mit Düften ins Gleichgewicht finden: Ätherische Öle wirken direkt auf unser vegetatives Nervensystem und helfen unbewusst beim Entspannen. Füllen Sie Bergamotte-Öl oder Lavendelessenz auf einen Duftstein oder in ein Duftlämpchen.

Stressabbau über den Hörsinn: Naturgeräusche, Entspannungsmusik oder Fantasiereisen hören wirkt ebenfalls passiv beruhigend auf unser Nervensystem ein. Ideen dafür gibt es viele im Internet, direkt auf Youtube oder Spotify zu finden.

Bewegung entspannt: Am stärksten wirkt Entspannung durch Bewegung, wenn sie draussen in der Natur möglich ist. Auch hüpfen, tanzen, Körperteile ausschütteln, Körper abklopfen zu Hause eignen sich gut.

Berührungen sind wohltuend: Kleinere Kinder suchen oft Körperkontakt, wenn sie unsicher, ängstlich, unruhig sind. Sie kommen nachts wieder zu uns, obwohl das länger nicht mehr vorgekommen ist. Wenn Sie so schlafen können, geben Sie dem Kind diese Nähe, wenn es diese in dieser Krisenzeit vermehrt auch nachts sucht. Bewährt hat sich auch, neben dem Elternbett ein Maträtzli für das Kind zu legen. So wird  man nicht getreten, kann aber zum Beispiel die Hand des Kindes bei Bedarf eine Weile halten. Grösseren Kindern, die nicht mehr kuscheln kommen, hilft es manchmal bei der Stressbewältigung, wenn wir mit ihnen raufen oder sie auskitzeln.

Vorlesen schafft Nähe und entspannt: Viele Kinder lieben es, wenn wir ihnen Geschichten vorlesen. Schon das Vorlesen allein hat oft eine positive Wirkung auf die Kinder. Zusätzlich können besondere Geschichten wie Fantasiereisen helfen, runterzufahren. Und beim Vorlesen kann gekuschelt werden.

Wohltuende Massagen: Mein Sohn liebt Fussmassagen, um ruhig zu werden vor dem Einschlafen. Alternativ kann auch die Hand- oder der Rücken massiert werden. Vielleicht können sich Geschwister sogar gegenseitig massieren. Variante: Mit sauberem Farbroller, Wallholz oder Ball über Körperteile rollen oder Massagegeschichten zu erfinden.

Auch über gutes, nahrhaftes Essen kann eine gewisse Entspannung erreicht werden, wenn das der Kanal ist, den dein Kind liebt.

Wie können Eltern entspannt bleiben?

Wenn wir Eltern entspannt sind, tragen wir viel dazu bei, dass auch unsere Kinder sich entspannen können. Und wenn wir im Gleichgewicht sind, fällt es uns leichter, unseren Kindern bei ihrer Stressregulierung beizustehen. Kinder brauchen uns, um zu lernen, wie Entspannung geht. Wenn wir es ihnen zeigen und auch leben, lernen sie Schritt für Schritt, sich besser zu regulieren und brauchen unsere Anleitung immer weniger.

Um gut in Beziehung zu bleiben mit unseren Kindern, ist der Kontakt zu uns selber, zu unserer Kraft, unseren Grundkompetenzen wie beispielsweise zu unserer Atmung und unserem Körper essentiell. Hier findest du einige Achstsamkeitsübungen zum Anschauen und Mitmachen.

Mitmachen! Viele der oben genannten Ideen haben auch für uns entspannende Wirkung. Wir könnten also mit unserem Kind mitmachen und so zusammen runterfahren. Dabei ist es hilfreich, unsere Aufmerksamkeit auf unser Inneres zu richten anstatt auf das Ziel, das Kind zu beruhigen.

Freies Schreiben: Einfach drauflosschreiben! So lassen wir raus, was uns durch den Kopf geht, wie wir uns fühlen und was uns belastet, ohne Wertung, ohne Anspruch auf Sinn und Reihenfolge, Grammatik und Stil. Das entlastet den Kopf.

Bewegung und  Bewusstsein: Bewusste Entspannung während und nach dem Sport, in der Natur, beim Yoga, beim Lesen, telefonieren mit einer guten Freundin oder einem guten Freund oder bei guten Gesprächen mit dem Partner.

Achtsame Pausen: Solche Pausen sind für mich ebenfalls sehr wertvoll und entspannend. In diesen Momenten verlangsame ich bewusst und achte darauf, wie es mir überhaupt geht. Wie schnell, tief geht mein Atem? Kann ich meine Füsse wahrnehmen? Worauf richtet sich meine Aufmerksamkeit gerade? Wie hoch ist mein Anspannungslevel? Wozu habe ich noch Energie und was lasse ich weg? Die eigenen Ansprüche und Erwartungen an unsere Kinder sind manchmal sehr hoch gesteckt. In Krisenzeiten hilft es sehr, diese zu minimieren, damit etwas Freude übrig bleibt und wir auch einmal wieder zusammen lachen können.

Gelingt das nicht allein, hilft der oft Austausch mit anderen Eltern oder ein professioneller Blick von aussen lässt die Anspannung etwas weichen.

Denn: Lachen und Humor sind ebenfalls sehr wirkungsvolle Ideen zur Entspannung. Beides ist jedoch nicht so leicht zu behalten, wenn wir gestresst sind. Lassen wir uns vom Lachen der Kinder anstecken!

Familien-  und Elternberatung Maya Risch

Die Familienberaterin, Familylab-Seminarleiterin und Waldkindergärtnerin Maya Risch lebt mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann in Zürich-Oerlikon. In einer Eltern- beziehungsweise Familienberatung oder in Gruppentreffen bietet sie mit «beziehungs8sam unterwegs» Eltern die Möglichkeit, zu erfahren, wie sie mit Unsicherheiten, Wut und Konflikten umgehen können und zeigt neue Perspektiven im Umgang mit Stolpersteinen im Familienalltag auf. Beratungen sind online oder in der Praxis möglich.

Weitere aktuelle Angebote von Maya Risch
Online-Workshop «Tut Wut gut?»  vom 17. und 31. März 2021 (zweiteilig, jeweils 20.15 – 22.15 Uhr)
(Online-)Elterngruppe «Erziehung durch Beziehung», Start am 7. Januar 2021