Braunes, schulterlanges Haar, schlanke Figur, geschwungene Lippen und grosse Augen, mein Spiegelbild schaute mich an und ich war schockiert, wie blass ich war. Prasselnder Regen schlug gegen die Fenster und das Bild verschwamm. Das Gebäude, in dem ich stand, hatte eine breite Glasfront, die auf die trübe Ebene vor mir ausgerichtet war, graue Betonwände und eine kahle Einrichtung im Innenraum. Alles in allem sah es eher aus wie ein Bunker. Eine Strasse, mehr aus Matsch als aus Kies bestehend, zog sich durch die Landschaft, bis sie im Nebel verschwand. Doch nichts von dem galt meinem Interesse. Knappe 30 Meter vor mir war ein Gerät aufgebaut worden. Ausgestattet mit zwei Turbinen, einem Display und einem Gehäuse, das Kabel beinhaltete, war es gute zwei Meter hoch. Es war meine neuste Erfindung, die Rasa. Angefertigt hatte ich sie im Auftrag des Landes. Ein selbstdenkendes und handelndes Gerät zum Schutz gegen Meteoriten. Soeben wurde es vorbereitet, um ins All hoch katapultiert zu werden. Der Rauch, der die Rasa umgab, verdichtete sich, bis man nichts mehr erkennen konnte. Letztendlich lüftete sich der Qualm wieder, doch die Rasa war weg.

Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch die nächtliche Luft und riss mich aus dem Schlaf. Die Wände bebten so stark, dass ich einen Moment lang glaubte, sie würden zusammenkrachen. «Wahrscheinlich ein Erdbeben», schoss es mir durch den Kopf. Da es schon früher Morgen war, stapfte ich die Treppe runter ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch fallen liess und den Fernseher anschaltete. In den Nachrichten berichteten sie über einen Defekt der Rasa. Ein Team wäre aber schon dabei, das Problem zu beheben. Darauffolgend stellte ich den Fernseher aus und fuhr zur Arbeit. In meinem Büro wartete schon ein Bericht auf mich. «Ruby Evans, bitte kümmern Sie sich unverzüglich um die Komplikation und finden Sie heraus, wie es sein kann, dass trotz der Maschine immer noch Meteoriten auf der Erde einschlagen.» Es war von Hand geschrieben, mit der schnörkeligen Schrift meiner Chefin. Daher startete ich den Computer. Schliesslich war der PC bereit, also öffnete ich die Seite mit den Steuerungen zur Rasa. Danach gab ich das Passwort ein und klickte auf «Enter». Nichts geschah. Bestimmt ein Tippfehler, also gab ich das Passwort ein zweites Mal ein. Neben dem Eingabefeld stand in roter Schrift: Falsches Passwort. Gewiss ein Fehler. Allerdings funktionierte es nach vier weiteren Versuchen auch nicht. Entnervt stand ich auf und ging ins Nebenzimmer, um mir einen Kaffee zu holen. Als ich zurückkam, hatte sich eine neue Seite geöffnet. Eine Nachricht wurde angekündigt, die ich öffnete. Hastig überflog ich sie und nervte mich gleich darauf, sie überhaupt geöffnet zu haben. Da stand: «Tut, was ich sage oder ihr werdet es bereuen.»  Wahrscheinlich irgendein schlechter Scherz. In diesem Augenblick erschien eine neue Nachricht: «Antworte mir.» Wie von selbst gab ich in das Feld ein: «Was willst du?» Prompt erschien die Antwort: «Alles.» Der Schock sass tief.

Gefühlte Stunden später, als ich endlich zu Hause ankam, war mein Kopf kurz vor dem Zerplatzen. Müde schlurfte ich die Treppe hoch und liess mich ins Bett fallen. Als ich die Augen schloss, musste ich sofort an das Gespräch mit der Rasa denken. Alles. Ihre Worte waren unmissverständlich gewesen. Entweder ich fand einen Weg, die Rasa aufzuhalten, oder die Rasa wäre ab sofort die Weltherrscherin. Würde sie jemand aufhalten, würde sie uns ihren Schutz nicht mehr garantieren und uns somit den Meteoriten ausliefern. Die ganze Nacht lang suchte ich nach einer Lösung. Eine neue, stärkere KI bauen? Nein, das würde über ein Jahr dauern. Am nächsten Morgen fuhr ich wie gewohnt ins Büro. Dort startete ich den Computer und öffnete meine neuen E-Mails. Es waren zwei neue, beide von irgendeinem Werbecenter. Die erste war ausgestattet mit einem Link und darunter ein Bild. Wahrscheinlich irgendein computerzerstörender Virus, der … ein Virus. Das war die Idee! Die einfachste Möglichkeit hatte ich vergessen! Augenblicklich machte ich mich an die Arbeit. Tag und Nacht arbeitete ich daran und nach drei Tagen war ich endlich fertig. Nun galt es, die Rasa damit zu infizieren. Es war der 19. Dezember und ich saß an meinem Schreibtisch im Büro. Vor mir auf dem Bildschirm war die Seite geöffnet, auf der ich vor wenigen Tagen mit der Rasa kommuniziert hatte. Einen Link, mit dem zerstörenden Virus darin versteckt, hatte ich schon eingefügt. Oberhalb des Links hatte ich zusätzlich einen kurzen Text geschrieben. Dieser lautete: «Wir ergeben uns. Im Link sind noch weitere Informationen.» Jetzt musste es nur noch funktionieren. Mit leicht zitternder Hand führte ich den Mauszeiger zur Sende – Taste und klickte drauf.

Es war zwei Tage danach, als ein gewaltiger Knall bestätigte, dass sie erledigt war. Sie hatte angebissen.
Seit diesem Tag arbeite ich an meiner nächsten Erfindung, die den Platz der Rasa einnehmen soll.