Die Sonne brannte schmerzend auf mein rotbraunes Fell. Schon seit Stunden war ich an diese gigantische Stange gefesselt und kam nicht weg. Hier auf der Raststätte der Autobahn Richtung Barcelona beachtete mich keiner, denn es war fast alltäglich, sterbende Hunde auf der Strasse zu treffen.
«Es gibt keine Hoffnung, es gibt keine Hoffnung, es wartet nur der Tod», rief es in mir die ganze Zeit. Fünf Stunden verbrachte ich schon unter der Sonne und immer noch keine Hilfe. Alle Menschen, die an mir vorbei gingen, machten einen grossen Bogen und versuchten, mir nicht in die Augen zu sehen. Währenddessen wechselte mein Denken von positiv zu negativ, doch ein Teil von mir glaubte immer noch sehnsüchtig an Hoffnung. Mit der Zeit wurde es dunkler und die Menschen weniger. Meine Kehle war inzwischen staubtrocken und mein Magen schien lauter zu grummeln als die wenigen Autos, die noch vorbeifuhren. Hunden wie mir wollte keiner helfen.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, schossen zwei Scheinwerfer eines Autos auf mich zu. Adrenalin schoss durch meinen Körper und ich drückte mich noch fester an die Stange. Ein bulliger Mann, der im Dunkeln schlecht zu erkennen war, stieg aus dem Auto und kam mit schweren Schritten auf mich zu, wobei ich noch mehr Angst bekam, nach hinten rutschte, den Kopf an der Stange anschlug und ohnmächtig wurde.
Der Ort, an dem ich aufwachte, war warm, aber nicht unangenehm heiss. Das Gras unter mir war vertrocknet, aber nicht grausam stachelig. Wo war ich? Dies war mir plötzlich sonnenklar, als ich die Augen aufschlug und die vielen Hunde um mich herum inmitten einer riesigen Wiese, die in Stacheldraht eingezäunt war, sah. So war das also. Ich war im Tierheim gelandet. Tagelang lag ich sterbend auf der Wiese, doch die Tierärzte schauten gut zu mir und bald war ich auch schon so fit, Freunde suchen zu können. Leider war die Suche nicht so leicht, wie ich es mir gedacht habe, da viele Hunde aggressiv oder traumatisiert waren. Doch schliesslich fand ich einen ausgezeichneten Freund. Er hiess Frodo, war strubbelig und schwarz und machte sich die Mühe, mir den Hof mit der Wiese zu zeigen. Achtundzwanzig Tage verbrachte ich in diesem Luxus. Jedoch war mir eines nicht bewusst, denn wo viel Gutes war, lauerte auch immer das Böse. Dies erfuhr ich auf unsanfte Tour, als eines Tages Frodo nirgendwo mehr zu finden war. Am Tag zuvor hatte er mir noch den Namen Froilán gegeben, doch jetzt war er einfach weg.
Augenblicklich packte mich eine starke Hand von hinten und zog mich aus meiner engen, kleinen Zelle. Ich strampelte um mich und versuchte, sie zu beissen, doch dies war alles nutzlos, denn ich war in ihrer Gewalt. Etwas war mir wohl bei Frodos Vortrag über diesen Ort entgangen, denn wenn die Hunde zu lange hierblieben, wurden sie getötet. Frodo war also tot. Dieser Gedanke jagte mir Tränen in die Augen. Beinahe hätte ich gar nicht gemerkt, dass mich der Muskelprotz in einen Transporter warf und die Tür hinter mir verschloss. Mir war klar, was das hiess: Ich war so gut wie tot.
Vor ein paar Zeilen hatte ich erzählt: Überall, wo viel Gutes ist, lauert auch das Böse. Aber es könnte auch umgekehrt sein. Und genauso war es bei mir. Der Transporter hatte noch andere Hunde mit dabei. Mein Freund Frodo allerdings leider nicht. Wir flogen nach Deutschland, wo wir dann unseren Besitzern übergeben wurden. Mein Name wechselte zu Lupo und meine Familie waren liebevolle und gütige Menschen.
So war es also, wieder Teil einer Familie zu sein.