Ein Papa-Blog über die peinliche Schwierigkeit, sich Namen zu merken – selbst wenn es sich um Freunde der eigenen Kinder handelt. Von Jakob Bächtold

Nächsten Mittwoch bringt die jüngste Tochter X und Y zum Spielen mit nach Hause. Ende der Pandemie, es gilt zwei Jahre Besuche nachzuholen. Gerne würde ich jetzt zu X und Y schreiben «Namen der Redaktion bekannt». Aber keine Chance. Null Ahnung, wie diese Mädchen heissen. Obwohl die Jüngste die beiden Namen gestern Abend und heute beim Zmorge mehrmals genannt hat – mit wachsender Unzufriedenheit. Ich kann sie mir einfach nicht merken. Zwei Mädchennamen, klar, das weiss ich noch, der eine endet auf «…ena», der andere wahrscheinlich auf «…ina». Aber die Anfangsbuchstaben? Da kommt bei allem Hirnen nix.

Es muss etwa vor fünf Jahren gewesen sein, beim Schuleintritt der dritten Tochter, da war mein Namensspeicher voll. Insbesondere der Unterspeicher für Mädchennamen mit den Endungen «…ena» und «…ina». Während ich die Freundinnen aus dem Kindergartenalter noch einigermassen zusammenbekomme, ist es seither hoffnungslos. Freundinnen aus den verschiedenen Klassen und Schulstufen (in der Oberstufe sogar noch wechselnd je nach Schulfach), aus dem Jugendorchester, dem Fiddel-Ensemble, dem Tanzen, dem Fechtclub, dann noch die aus dem Quartier sowie die aus den Parallelklassen – und das alles bei drei Töchtern vervielfacht: Wer soll denn da den Überblick behalten?

Bei den Lehrerinnen und Lehrern konnte ich eine Zeit lang noch Eselsbrücken bauen: Die Klassenlehrerin heisst fast gleich wie ein Snowboarder an der Olympiade. Die Handarbeitslehrerin hat etwas mit dem Tempo der Nähmaschine zu tun. Die Musiklehrerin kommt im Lied «Mir Senne heis luschtig» vor. Doch unterdessen habe ich auch da kapituliert: Seit die beiden älteren Töchter am Gymnasium pro Fach wechselnde Lehrerinnen und Lehrer haben, ist auch die Lehrpersonen-Hirnregion heillos überlastet.

Bei der noch grösseren Zahl an Kindernamen funktionieren Eselsbrücken sowieso längst nicht mehr. Nur die Verknüpfung mit Ereignissen sorgt für einzelne Wissensinseln. Dass ich S. (Name der Redaktion bekannt) mal wegen eines Corona-Verdachts in der Familie nicht in die Wohnung gelassen habe oder dass N. (Ja, den weiss ich auch!) jeden Morgen zusammen mit der ältesten Tochter in die Schule radelt, das kann sogar ich mir merken. Leider sind das nur Einzelfälle. Bei allen anderen: Blackout.

So werde ich X und Y am nächsten Mittwoch wohl oder übel mit einem herzlichen «Hallooooo, wie gaht’s?» willkommen heissen, um mit dem langen «ooooo» und der rasch nachgeschobenen Frage die Namensdemenz hoffentlich einigermassen zu kaschieren. Die eigenen Kinder kennen diesen Trick natürlich längst und verdrehen bei meinen Begrüssungskapriolen nur noch die Augen.

Jakob Bächtold ist Vater von drei Töchtern und lebt in Oberwinterthur. Er schrieb über zehn Jahre lang die Familienkolumne «Spielplatz» für den «Landboten». Heute arbeitet er bei der SBB und führt ein kleines Kommunikationsbüro für Texte und Moderationen und ist Papa-Blogger von kinderthur.ch