Es ist ein wunderschöner sonniger Tag im Wald oberhalb von Chur. Fünf kleine Wölfe wurden unter vielen Tannen vor ein paar Minuten geboren. Einer der neugeborenen Wölfe heisst Langohr.

Eigentlich heisst er Jimmy, aber seine Familie und Freunde nennen ihn Langohr, weil er ein langes Ohr hat. Die Wolfseltern sind sehr glücklich über die kleinen Baby-wölfe! Nun sind im Rudel wieder 13 Wölfe, das ist wunderschön!

Die älteren Wölfe wurden vom Rudel schon lange verabschiedet. Es dauert noch ein halbes Jahr bis sie wie ihre grossen Brüder aus dem Rudel in die weite Welt ziehen und selbst ein Rudel gründen. Die Eltern bekamen wieder 7 Welpen und nun sind sie die älteren Jungen.

Doch plötzlich passiert etwas Schreckliches. Einer von Langohrs Geschwistern, nämlich Sandro, wird von einem wütigen Schafhirten erschossen. Kein Wolf weiss warum, deshalb fragt Langohr seine Mutter: „Mama, wieso hat dieser Mensch meinen kleinen Bruder erschossen?”

“Weisst du Langohr, die Menschen sind wütend, wenn wir ihre Schafe angreifen oder sogar töten”, erklärt ihm seine traurige Mutter.

Und nun ist es auch für Langohr so weit, er muss das Rudel als erster seines Wurfes verlassen. “Langohr, pass sehr gut auf dich auf und nimm dich vor den Menschen in Acht, wir werden dich vermissen. Pass auch auf die grossen schnellen Dinge mit diesen runden Rädern auf, mit denen die Menschen immer umherrasen”, bekommt er vom Vater auf die Reise mit. “Ich nehme mich besonders von den Menschen in Acht und werde euch auch vermissen”, verabschiedet er sich von seiner Familie.

Er findet sich schnell zu Recht in der grossen Welt und zieht immer weiter weg von seinem Rudel. Nur bei den grossen, schnellen und gefährlichen Dingen hat er noch Angst. Immer wenn er die Wege dieser Dinge überqueren muss, denkt er wieder an den Rat des Vaters und vermisst seine Familie.

Nun ist es Abend und der Wolf steht wieder vor so einem Weg. Plötzlich bekommt er ein mulmiges Gefühl. Schnell rennt er über die Strasse und plötzlich passiert es ganz schnell: Ein lautes Hupen ertönt und Langohr wird wie gelähmt vor Angst. Er will sich schnell bücken, aber es ist zu spät. Ein Auto hat sein rechtes Bein überfahren! Der Schmerz schiesst ihm wie der Blitz durch das Bein und er bleibt ohnmächtig liegen. Er merkt nicht, wie der Mann im Auto aussteigt und sich um ihn kümmert. Ebenfalls bemerkt Langohr nicht, dass der Mann ihn in sein Försterauto bringt und dass er den Wolf nach einer zehnminütigen Fahrt in sein Menschenhaus trägt.

Verwundert erwacht er am nächsten Morgen. In einem ungewöhnlichen Raum liegt er auf weichem Waldboden. Spezielle Gerüche nimmt Langohr wahr. Er ist in einem Försterhaus und es wird gerade ein merkwürdiger Trank gebraut. Um sein Bein ist ein komisches Tuch gewickelt und Blut tropft darauf. Plötzlich kommen die Erinnerungen des schrecklichen gestrigen Tages zurück. Grosse Schmerzen plagen ihn, aber er weiss, dass er wieder gesund wird. Ohne dass er es merkt, steht plötzlich ein Mensch vor ihm. Da erinnert er sich zurück an den kurzen Moment, als er am gestrigen Tag den Fahrer dieses grossen Dinges sah und er erkannte ihn wieder. Ihm wird bewusst, dass doch nicht alle Menschen so böse sind wie der Schafhirt, der Sandro erschoss. “Der Gesundheitstee ist jetzt fertig”, informiert der Förster Jonas seine Frau Julia: Langohr versteht alles. Eine besondere Gabe von Langohr ist nämlich die Menschensprache zu verstehen. Doch er bemerkt es erst in diesem Moment. Menschensprache sprechen kann er aber nicht. Jonas bringt Langohr die Flüssigkeit und er trinkt sofort davon.

Nun ist er seit zwei Wochen beim liebevollen Jonas und seiner Frau. Es gefällt ihm sehr gut dort und sein gebrochenes Bein ist jetzt wieder gesund. Doch er weiss, dass er nicht immer dableiben kann. In ein paar Tagen muss er wieder gehen, um sein eigenes Rudel zu bilden. Jeden Tag bekommt er dieses feine Gebräu, welches ihm Kraft gibt. Frisches Fleisch bekommt er vom netten Försterpaar auch immer.  So ein gewaltiges Glück hat sicher fast niemand ausser ihm.

Nun ist der Moment des Abschiedes da! Langohr verabschiedet sich traurig von den Förstern und zieht zum zweiten Mal von einem Ort, an dem er sich wohl fühlt in die grosse schöne Natur.

Über Berge und Täler läuft er bis ins Engadin, um seine grosse Liebe zu finden. Und tatsächlich sieht er nach ein paar Tagen eine wunderschöne Wölfin und verliebt sich sofort in sie! Die schöne Wolfsdame hat sich auch sofort in ihn verliebt und zusammen gründen sie ein Rudel. Nach ein paar Monaten kommen dann sechs junge Wölfe und zusammen leben sie glücklich als Familie im Engadin. Sie machen zusammen am Geburtstag von Langohr einen Besuch beim überglücklichen Försterpaar, um noch ein letztes Mal “Danke” zu sagen.

 

Happy Birthday!