Kazuri lag in ihrem Bett und schlief. «Drrr!» Ihr roter, runder Wecker klingelte und Kazuri schlug mit ihrer Hand auf den Wecker. Blitzartig verstummte der Wecker und Kazuri schwang ihre Beine aus dem Bett. Sie rieb sich verschlafen die Augen und ging ins Bad. Das 12-jährige Mädchen mit den langen, schwarzen Haaren machte sich bereit für die Schule. 20 Minuten später packte sie ihre Schultasche und rannte den Weg durch die engen Strassen von Shanghai. Als sie vor dem weissen Schulhaus stand, wimmelte es von Kindern. Kazuri, das Mädchen, das immer lustig war, presste sich durch die Masse von Menschen. Als es zum Anfang der Schule läutete, bannte sie sich einen Weg in ihr Klassenzimmer. »Setzt euch», hallte die Stimme der Mathelehrerin durch den Klassenraum. Kazuri setzte sich auf ihren Platz. «Habt ihr alle eure Hausaufgaben gemacht?», fragte die strenge Lehrerin und warf Kazuri einen prüfenden Blick zu. «Ups, vergessen», dachte Kazuri. «Ich habe meine Hausaufgaben…» – «…vergessen?», beendete die Lehrerin den Satz. «Nachsitzen heute nach der Schule!», fauchte die Lehrerin Kazuri an. «Nehmt eure Mathehefte hervor und schlagt sie auf Seite 164 auf!», rief die Lehrerin. Kazuri seufzte und wollte gerade ihr schwarzes Heft hervornehmen, als ein spitzer Schrei ertönte. Daraufhin folgte ein Geräusch von zerbrochenem Glas. Kazuri sprang über ihr Pult hinweg und sah sich um. «Kazuri!», rief die Lehrerin wutentbrannt. Das grösste der Fenster war in Scherben zerbrochen und Chen, das nette Mädchen, lag am Boden. Die Kinder schrien um sich. «Was ist passiert?», fragte Kazuri Chen. «Ein Drache hat die Scheibe zerbrochen», stotterte Chen und rappelte sich auf. Kazuri schaute aus dem Fenster und erstarrte. Sie sah einen riesigen, feuerspeienden Drachen in der Luft fliegen. Seine Schuppen glänzten golden in der Sonne. Kazuri rannte aus dem Klassenzimmer und stürzte aus dem Schulhaus. Der riesige Drache landete gerade auf dem Pausenhof, als Kazuri etwas entdeckte. Sie sah einen Splitter oben an seinen roten Augen. «Der Splitter der Bosheit», murmelte Kazuri. Der Splitter der Bosheit war ein Splitter, der sich immer ein Tier oder einen Menschen aussuchte und der wurde dann böse. «Hey Drache», brüllte Kazuri so laut sie konnte. Der Drache wirbelte um sich und schlug mit seinem Schwanz fast das Schulhaus ein. Da entdeckte er Kazuri und schlug mit der Pfote auf sie ein. Kazuri jedoch schlüpfte unter seiner mächtigen Pfote hinweg. Der Drache brüllte und spie Feuer. Kazuri wich dem Strahl Feuer aus. Der Drache wurde nun richtig wütend und traf Kazuri mit seiner Pfote an der Schulter. Kazuri stürzte auf den gepflasterten Boden und rotes Blut lief ihr Knie herunter. Kazuri stand wieder auf unter brennenden Schmerzen und schlüpfte unter dem Bauch des Drachen weg. Jetzt stand sie hinter ihm und machte einen Sprung auf seinen Rücken. Der Drachen drehte sich im Kreis und Kazuri hielt sich an seinen Schuppen fest, um nicht hinunterzufliegen. Sie zog sich mit aller Kraft nach oben und hielt sich an seinen Hörnern fest. Kazuri tastete mit der Hand in sein Gesicht und jetzt konnte sie an den Splitter gelangen. Der Drache brüllte, doch Kazuri riss und riss. Jetzt hatte sie ihn in der Hand und sie zerbrach ihn mit aller Kraft. Der Drache erstarrte augenblicklich. Dann legte er sich auf den Boden, so dass Kazuri von ihm runterspringen konnte. Alle Kinder hatten sich auf dem Pausenplatz versammelt und starrten Kazuri oder den Drachen an. Jetzt war der Drache nett und liess eine Rauchwolke aus seiner Nase steigen. «Geht es dir noch ganz gut? Du hättest sterben können!», schrie die Mathelehrerin. Kazuri antwortete nicht und betrachtete ihr blutendes Knie. Der Drache stupste Kazuri mit seiner Nase an. «Lass dass einmal meine Sorge sein», sagte Kazuri. «Flieg jetzt schnell weg, sonst kommen die Drachenfänger und bringen dich in den Zoo», sagte Kazuri ernst und lachte. Der Drache zögerte und breitete seine mächtigen Flügel aus.

«Kazuri, du gehst sofort zum Schuldirektor», brüllte die Mathelehrerin. «Ja, ja, ich komme ja schon», sagte Kazuri und schaute dem Drachen nach, der immer und immer kleiner am Himmel wurde.