Diese Geschichte fand irgendwann im neunzehnten Jahrhundert statt und ich erzähle sie euch: Es handelt sich um einen Jungen, der in London, England, wohnte. Dieser Junge wohnte bei seiner Tante, denn seine Eltern waren entführt worden. Der Junge hiess Peter und er wohnte in einer Villa. Er wusste alles über seine Villa, aber eins wusste er nicht: Es war verboten, die Kellertür zu öffnen. Die Kellertür war mit einem Schloss gesichert.

Eines Tages kam Peter auf eine Idee. Er wollte wieder einmal das Zimmer seiner Tante durchsuchen. Peter hatte schon so manches Nützliches bei seiner Tante im Zimmer gefunden. Er ging die Treppe hoch, an seinem Zimmer vorbei und in das Zimmer seiner Tante. Peter hatte seine Tante schon gefühlt tausendmal gefragt, was hinter der geheimnisvollen Kellertür steckt. Doch seine Tante sagte nur, dass er dies nicht wissen müsse. Peter war gerade den Schrank am Durchsuchen, als plötzlich ein lautes Klimpern ertönte. Peter ging zu dem Ort, wo er es gehört hatte, und er sah einen glänzenden Schlüssel. Als er ihn in die Hand nahm, dachte er nach, von wo der Schlüssel wohl sein könnte. Doch plötzlich hatte er eine Idee: Es könnte sein, dass er gerade den Schlüssel zum Keller gefunden hatte.

«Was machst du hier in meinem Zimmer?», hörte er seine Tante sagen, wobei sie die beiden Wörter «meinem» und «Zimmer» extra laut sagte. Peter antwortete stotternd:

«Nix, also na ja… i-ich habe n-nur in d-deinem Zimmer e-e-ein bisschen herumgewühlt, als…» Weiter kam Peter nicht, denn er wurde durch ein lautes Klopfen unterbrochen. «Ah, endlich kommen sie», sagte Peters Tante nach einem Seitenblick aus dem Fenster. «Los, geh dich waschen und zieh dich an!», forderte Peters Tante ihn auf.

Als Peter im Badezimmer war, schloss er sorgfältig die Badezimmertür hinter sich. Nachdenklich setzte er sich auf den Klodeckel und nahm den Schlüssel, den er bei seiner Tante im Zimmer gefunden hatte, aus seiner Tasche. «Ich muss ein sichereres Versteck für den Schlüssel finden, denn wenn meine Tante den Schlüssel findet, wird sie ihn sicher zu sich nehmen», dachte Peter und ging langsam in sein Zimmer, wo er sicherlich ein Versteck finden würde.

Gerade als Peter anfangen wollte, ein Versteck zu suchen, hörte er Schritte die Treppe hinaufkommen. Er schob gerade noch den Schlüssel in die Hosentasche, als wie erwartet, die Tür aufging. Er sah die Eltern seiner Tante. «Jaa! Endlich seid ihr gekommen!», freute sich Peter, denn er sah seine Grosseltern nicht jeden Tag. Nachdem Peters Eltern, so sagte es die Tante, entführt wurden, hatte er mit seinen anderen Grosseltern keinen Kontakt mehr. So wurden Alfred und Sonja, die Eltern seiner Tante Olivia, als richtige Grosseltern eingesetzt.

Peter liess seine Grosseltern in sein Zimmer rein und schloss die Tür vor Tante Olivias Nase. Er nahm den Zimmerschlüssel und schloss die Tür doppelt. Er setzte sich neben seine Grosseltern und sah sie verschwörerisch an.

«Kann ich euch vertrauen?», fragte Peter seine Grosseltern. «Natürlich, wir werden dein grösstes Geheimnis sicherer hüten wie einen Tresor», versprachen sie. «Okay. Also. Ich habe mal einen Schlüssel gefunden und ich denke, dass er zum Keller gehört. Ihr wisst mehr als ich über das Haus, und ich möchte wissen, was hinter der Kellertür steckt!»

Die Antwort war ein leises Seufzen. Peter bemerkte, wie seine Grosseltern leise miteinander flüsterten. Dann sahen sie Peter tief in die Augen. «Also…», begann Sonja, «es ist so: Vor langer Zeit, als du noch nicht am Leben warst, bekam ich deine Mutter. Etwa zwei Minuten später ihre Schwester, deine Tante Olivia. Als beide sich in der ersten Klasse vorstellen mussten, da sagte deine Mutter, dass sie Zwillinge wären und dass sie die Ältere wäre. Doch Olivia bestritt das. Denn sie sagte, dass sie die Ältere wäre. Darauf fingen sie an zu streiten. Die Lehrerin sagte, dass beide nach Hause gehen müssten. Auch auf dem Heimweg im Auto zankten sie die ganze Zeit, bis wir zu Hause waren. Dann gingen sie beide in ihr Zimmer. Dann, als sie um die 20 waren, heiratete deine Mutter deinen Vater. Der Streit von früher war schon längst vergessen, doch als deine Mutter gerade deine Tante Olivia zu sich einlud, fragte dein Vater plötzlich nach früher. Deine Mutter erzählte sehr viel, bis sie den entscheidenden Fehler machte: Sie erzählte von der Geburt und sagte wieder, dass sie die Ältere wäre. Olivia sagte darauf: «Nein, ich bin älter!» Dann entschieden sie, dass dein Vater sagen sollte, wer älter wäre. Dein Vater sagte, dass deine Mutter älter als deine Tante Olivia wäre.

Tante Olivia wurde so wütend, dass sie deine Eltern ohnmächtig machte und hierhin entführte. Sie brachte sie in den Keller, sperrte sie ein und versteckte den Schlüssel. Ich wollte deine Eltern befreien, doch der Schlüssel wurde, wie gesagt, versteckt.»

Peter erschrak so sehr, dass er am liebsten laut geschrien hätte. Doch sein Mund brachte keinen Ton heraus. Da es schon Abend war, ging er ins Bett. Er schlief müde ein. Mitten in der Nacht wurde Peter von einem lauten Hilfeschrei geweckt. Müde ging er die Treppe runter. Der Schrei kam aus dem Keller. Peter holte den Schlüssel. «Soll ich es wirklich versuchen?», fragte er sich selbst. Er nahm tief Luft und schloss die Tür auf. Er ging langsam die feuchten Treppenstufen runter.

Unten angekommen lief er zum Lichtschalter und zündete das Licht an. Er ging langsam zur Tür zurück, als ein leises Knacken ertönte. Die Tür war geschlossen. «Oh nein! Ich stecke hier im Keller fest und der Schlüssel steckt im Schloss.» Peter war verzweifelt. Er versuchte, die anderen Kellertüren aufzubringen. Keine Chance. Entmutigt und ohne Hoffnung ging er zur letzten Kellertür. Er liess seine Hand auf die Türklinke fallen. Ein leises «Klack» und die Tür war offen. Langsam ging er hinein. Ein leises Röcheln. Peter verstand es nicht, aber es tönte wie ein leises «Hiiilfe». Als er das Licht einschaltete, machte er einen Satz nach hinten. Bleiche und magere Gestalten lagen am Boden. «Mama? Papa?» Peter ging sofort zu den Gestalten, die halb ohnmächtig am Boden lagen. Er untersuchte die Taschen nach einem Handy und tatsächlich befand sich ein Handy in Papas Hosentasche. «Wir haben es schon versucht, Peter», sagte seine Mutter, «aber hier hat es keinen Empfang!» Doch Peter gab nicht auf. Er ging wieder aus dem Zimmer. Er wählte die Nummer der Polizei und tatsächlich: Es ging! Voller Hoffnung sagte er den Beamten, wo er war. «Bitte ruft einen Krankenwagen. Meinen Eltern geht es gar nicht gut.» Nach etwa zwei Minuten kamen Polizeisirenen näher. «Das müssen sie sein», freute sich Peter.

Kurz darauf kamen zwei Polizisten um die Ecke. Gleich hinter ihnen waren ein paar Sanitäter zu sehen. Sie trugen die Eltern von Peter auf Baren zurück in die Villa. Ein Polizeibeamter klopfte Peter auf den Rücken. «Sehr gut!», sagte er. Tante Olivia wurde verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.

Und so lebte Peter mit seinen Eltern in der Villa.