An einem düsteren und nebligen Abend im Jahr 1978 beschloss die 16-jährige Marie Ross, in den Wald von Texas zu gehen. Marie war eine nette und fröhliche junge Frau mit vielen Freunden und es war ungewöhnlich, dass sie allein in den Wald ging. Sie hatte keinen besonderen Grund dafür; es war einfach friedlich und leise dort. Es war ihre Art, vom Alltag abzuschalten und ihre Gedanken zu ordnen.
Der Wald lag wie verzaubert im Mondlicht. Die dicken Nebelschwaden, die zwischen den Bäumen hingen, liessen die Szenerie unwirklich und geheimnisvoll wirken. Während sie tiefer in den Wald wanderte, bemerkte sie, wie still es war, abgesehen vom leisen Rascheln der Blätter und dem gelegentlichen Ruf eines einsamen Vogels. Marie atmete tief ein und liess die kühle, frische Luft durch ihre Lungen strömen. Es fühlte sich an, als würde sie in eine andere Welt eintauchen – eine Welt, in der Sorgen und Verpflichtungen keinen Platz hatten.
Es fing an zu regnen, und der feuchte Boden reflektierte den Mondschein. Die Regentropfen fielen leise um sie herum, und die Kälte liess sie ein wenig zittern. Jedes Mal, wenn sie atmete, sah es aus, als käme Rauch aus ihrem Mund. Die Kälte wurde immer stärker und der Wind blies heftiger. Blätter flogen links und rechts an ihr vorbei, Äste brachen ab und fielen krachend auf den Waldboden. Doch Marie ging immer tiefer in den Wald, tiefer in die Dunkelheit.
Der Mond schien hell auf ihr blondes Haar, das im Wind wehte. Irgendwann bekam sie Hunger und setzte sich unter einen grossen, alten Baum. Der Baum wirkte mit seinen dicken Ästen und dem moosigen Stamm wie ein uralter Riese, der über den Wald wachte. Marie holte einen kleinen Apfel aus ihrer Tasche und biss hinein. Der saftige Geschmack des Apfels brachte ihr ein Gefühl von Vertrautheit in dieser fremden Dunkelheit. Doch während sie den Apfel ass und sich entspannte, wurde sie plötzlich müde. Bevor sie es bemerkte, war sie eingeschlafen.
Zu Hause begann ihre Mutter, Bridgette Ross, sich Sorgen zu machen. Es war ungewöhnlich, dass Marie so lange fortblieb, ohne Bescheid zu sagen. Die Uhr zeigte bereits 23:30 Uhr und seit zwei Stunden hatte sie nichts mehr von ihrer Tochter gehört. Bridgette rief ihren Mann Daniel an und schilderte ihm besorgt die Lage. Kurz darauf eilte Daniel nach Hause. Als er ankam, fand er seine Frau weinend auf dem Küchenboden vor. «Was ist los, Bridgette? Was ist passiert, und wo ist Marie?», fragte er. «Ich weiss es nicht», antwortete sie verzweifelt. «Sie ist in den Wald gegangen, aber sie ist immer noch nicht zurückgekommen.»
Daniel schlug vor, dass sie zusammen nach Marie suchen sollten. Bridgette wischte sich die Tränen aus den Augen und nickte entschlossen. Marie war ihnen wichtiger als alles andere. Schnell stiegen sie ins Auto und fuhren zum Waldrand.
Unterdessen wachte Marie aus ihrem Schlummer auf. Ihr Rücken war vom feuchten Boden ganz nass und sie fühlte sich steif und fröstelnd.
Sie zog ihr Smartphone heraus und schaute auf die Uhr. Es war 12:33 Uhr nachts. Verwirrt und beunruhigt darüber, wie spät es geworden war, versuchte sie, ihre Mutter anzurufen. Doch zu ihrem Schrecken zeigte ihr Handy keinen Empfang. «Verdammt!», flüsterte sie vor sich hin und liess das Telefon wieder in ihre Tasche gleiten.
Die Dunkelheit des Waldes um sie herum schien plötzlich viel bedrohlicher zu wirken. Marie fühlte, wie ihr Herz schneller schlug und das Gefühl der Ruhe, das sie zuvor verspürt hatte, war wie weggeblasen. Ein eisiger Windstoss liess sie zusammenzucken und ein leises Geräusch aus der Ferne schien ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr allein war. Es war, als ob Augen aus dem Schatten auf sie gerichtet wären. Mit angehaltenem Atem stand sie auf und blickte sich nervös um. Doch da war nichts… Oder zumindest sah es so aus.
Marie begann zu gehen, in der Hoffnung, den Weg zurück zu finden, aber das Gefühl der Beobachtung verfolgte sie. Bei jedem Schritt wurde das Gefühl stärker. Sie konnte nicht genau sagen warum, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass sie sich beeilen sollte.
Plötzlich hörte sie das laute Krächzen von Krähen, die in die Luft stoben und über ihren Kopf hinwegzogen. «Ist da jemand?», rief sie zögerlich in die Dunkelheit hinein. Keine Antwort – nur das Rascheln der Blätter und das Knacken der Äste unter ihren Füssen.
Ein Schatten huschte an ihr vorbei. Sie drehte sich hastig um und suchte die Dunkelheit ab, aber da war niemand. «Ich werde doch wohl nicht verrückt?», flüsterte sie und versuchte, sich zu beruhigen. Doch je mehr sie sich bemühte, desto stärker wurde das unheimliche Gefühl, dass sie beobachtet wurde.
Inzwischen waren Bridgette und Daniel am Waldrand angekommen und begannen, nach Marie zu rufen. «Marie! Marie, wo bist du?» Ihre Stimmen hallten durch die Bäume, aber es kam keine Antwort. Daniel nahm Bridgettes Hand und flüsterte: «Wir gehen jetzt in den Wald, halt dich fest.» Gemeinsam betraten sie den dichten Wald, die Taschenlampen in der Hand, und versuchten, den Pfad zu erkennen, den Marie gegangen sein könnte.
Marie hingegen hatte inzwischen die Orientierung völlig verloren. Sie blickte sich um, aber alles sah gleich aus – Bäume, Büsche und Dunkelheit, die sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schienen. «Wieso finde ich den Weg nicht? Ich komme doch oft hierher!», fragte sie sich verzweifelt. Völlig erschöpft setzte sie sich auf den Boden und spürte die Tränen, die langsam über ihre Wangen rollten. Sie dachte an ihre Mutter und hoffte, dass sie sich keine allzu grossen Sorgen machte.
Sie hörte ein leichtes Quietschen und Knacken hinter sich und erstarrte. «Ist da jemand? Wenn ja, bitte mach mir nichts… Ich komme in Frieden!», rief sie ängstlich. Doch die Schritte kamen näher, langsam, bedrohlich. Panik ergriff sie, und sie begann zu rennen, so schnell sie konnte. Sie rannte und rannte, bis sie keuchend stehen blieb und sich vorsichtig umdrehte. Niemand war zu sehen.
In der Ferne bemerkte sie ein schwaches Licht. Es schien von einer kleinen Hütte zu stammen, die zwischen den Bäumen verborgen lag.
Erleichtert dachte sie, dass dort vielleicht Menschen sein könnten, und lief hastig darauf zu. Doch als sie die Hütte erreichte, wurde ihr das Herz schwer. Die Hütte sah verlassen und heruntergekommen aus. Ein leises Lied schallte von drinnen, eine langsame, beruhigende Melodie, die zugleich unheimlich war. Es klang, als hätte man die Stimme einer Frau tiefer gemacht.
Marie ging zur Tür, die einen Spalt offenstand, und spähte hinein. Sie sah ein altes Autoradio, das auf einem Tisch stand und mehrere Kassetten, die ordentlich gestapelt waren. «Vielleicht kann ich hier rein», murmelte sie. «Der Besitzer hat sicher nichts dagegen, oder?» Ohne lange zu überlegen, versuchte Marie, die Tür zu öffnen, doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Sie setzte sich erschöpft auf die Veranda und blickte in die Dunkelheit. Die Kälte kroch durch ihre Kleidung, und sie fühlte sich schutzlos und verloren.
Inzwischen hatten ihre Eltern tiefer im Wald ihre Rufe verstärkt. «Marie, wo bist du?», rief Bridgette verzweifelt. Doch die Nacht verschluckte ihre Stimmen und das einzige Geräusch, das sie hörten, war das Knacken der Äste unter ihren Füssen. Sie hofften, dass ihre Tochter irgendwie ihre Stimmen hören und zu ihnen zurückfinden könnte.
Marie sass noch immer auf der Veranda der Hütte und starrte in den Himmel, als sie plötzlich ein Knarren hörte. Die Tür öffnete sich wie von selbst und sie stand erschrocken auf. Sie trat vorsichtig in die Hütte und bemerkte, dass es drinnen still und bedrückend war. Das alte Autoradio und die Kassetten auf dem Tisch schienen fast wie ein Altar in der Dunkelheit zu stehen. Sie ging auf die Kassetten zu und begann, sie zu betrachten. Plötzlich ging die Tür hinter ihr zu und sie zuckte zusammen. «Hilfe!», rief sie, doch ihre Stimme verklang im Nichts.
Marie rüttelte an der Tür, aber sie war fest verschlossen. Sie fühlte, wie Panik in ihr aufstieg, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Plötzlich sah sie, wie sich eine der Kassetten von selbst auf dem Tisch bewegte. «Das ist doch unmöglich!», dachte sie und nahm sie in die Hand. Da sprang das Autoradio an und eine leise Stimme sagte: «Du hast mich geweckt, Marie… Jetzt kannst du nicht mehr entkommen.» Vor Schreck liess Marie die Kassette fallen.
Draussen rief Daniel noch einmal: «Marie, wir holen Hilfe! Beruhige dich und warte auf uns!» Doch Marie spürte, dass etwas Unheimliches in der Hütte war und sie wusste, dass sie hierbleiben musste, egal, wie sehr sie sich wünschte, rauszukommen.
Ihre Eltern liefen zurück zum Parkplatz und riefen um Hilfe, als ein junger Mann auf sie zukam und fragte, was los sei. Bridgette erklärte ihm die Situation, und er folgte ihnen zur Hütte. «Hallo, ich bin Ryan und hier, um dir zu helfen», rief er an die Tür. Marie antwortete panisch: «Ich bin eingesperrt und komm nicht raus!» Ryan beruhigte sie: «Versuch, ruhig zu bleiben, dann wird das leichter.» Marie hatte ein ungutes Gefühl bei ihm; seine Stimme kam ihr bekannt vor, aber sie wusste nicht warum.
Ryan öffnete die Tür und streckte Marie die Hand entgegen. Sie nahm sie zögernd und in dem Moment wurde es in der Hütte dunkler. «Was zum…?», begann Marie, als Ryan sagte: «Du hast die Tür geöffnet, jetzt wirst du nie entkommen.» Da wurde ihr klar, dass die Stimme aus dem Autoradio Ryans Stimme war. Der Boden riss auf und schwarze Gestalten krochen heraus und packten Marie an den Beinen. Schnell zogen sie sie in die Dunkelheit.
Ihre Eltern rannten auf die Hütte zu, aber plötzlich verschwand Ryan und das Einzige, was blieb, war sein unheimliches Lachen. Daniel und Bridgette standen schockiert und traumatisiert da. Seit diesem Abend wurde die Hütte nie wieder betreten und alle fragen sich noch heute, wohin Marie verschwunden ist und was hinter dieser Tür liegt…