Hallo, ich bin Jona, ich bin 13 Jahre alt und lebe in der Schweiz. Im Moment gehe ich noch in die 6. Klasse, aber bald beginnen die Sommerferien und dann gehe ich in die erste Sek. Ich und meine beste Freundin Marie kommen sogar in dieselbe Klasse. Wir kennen uns schon, seit sie mit ihrer Familie neben uns eingezogen ist. Das war vor etwa 9 Jahren. Wir haben beide echt grosse Häuser. Ich habe bei uns zu Hause sogar das grösste Zimmer, was echt cool ist, denn sonst bekommen meine Zwillingsbrüder Max und Tommy immer alles. In einer Woche sind Sommerferien. Wir gehen zu unserer Grossmutter Linda. Sie lebt in einem Haus, in dem schon viele Generationen unserer Familie lebten. Ihr Haus ist mitten in der Pampa. Bei ihr hat man noch nicht mal Netz. Naja, wie dem auch sei, ich muss jetzt in die Schule.

1 Woche später

Juhu, endlich Sommerferien! Ich würde ja am liebsten etwas Tolles mit Marie unternehmen, aber ich muss packen, denn wir fahren ja schon morgen zu Oma Linda. Nach einigen Stunden bin ich endlich fertig mit packen und kann mit Marie rausgehen. Wir treffen uns in 10 Minuten bei ihr im Baumhaus, das ist nämlich unser Hauptquartier. Marie erzählt mir gerade, was sie in den Sommerferien macht. Sie geht nämlich auf ein Kreuzfahrtschiff mit Rutsche und Pool. Da bin ich schon ein bisschen neidisch.

Am nächsten Morgen wache ich voller Freude auf, bis mir in den Sinn kommt, dass wir heute ja zu Oma Linda fahren. Naja, also wenn ich ehrlich bin, dann freue ich mich schon ein bisschen auf sie, aber ich würde trotzdem lieber etwas Cooles mit Marie unternehmen. Plötzlich ruft meine Mutter, ich soll herunterkommen, wir fahren jetzt los. Ich schnappe mir noch schnell meine Kette, welche mir Oma zu meinem zwölften Geburtstag schenkte, und stolpere die Treppe hinunter. Nach circa zweieinhalb Stunden kommen wir endlich an. Lauter Polizeiwagen stehen vor Omas Haus! Was ist passiert? Ich steige aus dem Auto, die Tränen sind schon nah. Was, wenn etwas ganz Schlimmes passiert ist?! Der eine Polizist kommt auf meine Mutter zugezottelt und fragt sie, ob sie die Tochter von Linda Maria Hildegard ist. Meine Mutter antwortet mit einer zitternden Stimme: «Ja, das bin ich. Wieso, ist etwas mit ihr?» Der Polizist antwortet daraufhin: «Ihre Mutter wurde vor einigen Tagen tot auf ihrem Sofa aufgefunden. Es tut mir sehr leid, mein Beileid.»

Als ich höre, was der Polizist sagt, breche ich in Tränen aus, ich fühle mich schlecht, weil ich nicht schon im Herbst Oma Linda besuchen wollte. Wegen mir kommen wir sie erst jetzt besuchen.

Monate später wohnen wir in Omas Haus, weil wir die Tradition nicht brechen wollen. Meine Mutter hat in letzter Zeit viel zu tun. Sie muss oft ins Gemeindehaus, um Sachen zu klären wegen Oma. Deshalb sind ich und meine Zwillingsbrüder hin und wieder alleine und können Kartons auspacken. Ich mache aber auch oft Facetime mit Marie und zeige ihr das Haus. Im Keller gibt es eine Tür, die verschlossen ist. Sie ist so blau wie der Himmel und hat einen weissen Rahmen. Auf der Tür sind fünf so komische Zeichen eingeritzt. Ich kann aber nicht erkennen, was sie bedeuten.

Ich mache mich auf die Suche nach dem Schlüssel, doch ich kann ihn nicht finden. Langsam habe ich keine Geduld mehr und setze mich auf den Boden. Plötzlich plumpst etwas aus meiner Pullovertasche. Es ist meine Kette, die ich von Oma bekommen habe. Gerade als ich sie wieder versorgen will, fällt mir auf, dass an der Kette ja ein Schlüssel befestigt ist. Ich habe mich schon immer gefragt, für was der wohl sein mag. Mir fällt auf, dass der Schlüssel dieselben Zeichen wie die Tür hat. Das muss doch der passende Schlüssel sein! Aber was, wenn Oma wusste, dass sie sterben würde und den Schlüssel einer Person geben wollte, welcher sie vertraut? Das heisst, sie vertraut mir? Oder das ist alles einfach nur Zufall. Egal, was auch dahintersteckt, ich will jetzt herausfinden, ob das mit den Zeichen auch nur Zufall ist oder ob der Schlüssel passt.

Ich stecke den Schlüssel also in das Schlüsselloch und… er passt! Ich drehe den Schlüssel zweimal nach rechts. Das Schloss ist geknackt! Ich mache vorsichtig die Tür auf, dahinter ist ein leerer Raum. Wartet mal, ganz leer ist er nicht, am Boden liegt irgendetwas. Ich nähere mich langsam, ein Brief? Ich öffne den Brief vorsichtig und dort drin steht:

Ich habe schon wieder Tränen in den Augen. Was meint sie wohl mit «Folge den roten Lichtern?» Ich blicke hoch. Da sind tatsächlich rote Lichter! Die waren vorhin noch nicht da. Ich stehe auf und folge den roten Lichtern, wie es Oma schrieb. Der Weg führt in den Garten. Unter unserer grossen Tanne hört der Weg auf. Es gibt keine weiteren roten Lichter. Auf einmal taucht etwas Helles am Himmel auf. Es rast auf mich zu. Ich trete ein wenig zurück und bete mit geschlossenen Augen, dass es meine Grossmutter ist, die Abschied nehmen möchte. Tatsächlich, ich mache meine Augen auf und sehe Oma oder zumindest ihr Geist. Sie kommt auf mich zu und sagt: «Ich sehe, du hast meinen Brief gelesen und bist den roten Lichtern gefolgt.»

Ich sage daraufhin mit Tränen in den Augen: «Ja, Oma, es tut mir so leid, dass ich dich nicht schon im Herbst besuchen wollte. Aber sag mal, wieso bist du eigentlich hier, du bist doch gestorben?» Meine Grossmutter antwortet nicht. Ich nehme sie in den Arm, mache meine Augen zu und drücke sie ganz doll. Langsam merke ich, wie sich Omas Körper auflöst und in den Himmel zurückkehrt. Als ich meine Augen wieder öffne, stehe ich alleine unter der ausgetrockneten Tanne und weine.

Eine Woche später bei der Beerdigung weine ich zwar immer noch die ganze Zeit, aber ich weiss innerlich, dass Oma jetzt bestimmt an einem Ort ist, wo es ihr gut geht.