Mein Name ist Angel White. Ich bin 15 Jahre alt. Mein Leben war bisher wie jedes andere auch. Ich wurde auf meiner Schule fertiggemacht und war eine ziemliche Aussenseiterin. Ich hatte keine Freunde und meine Mutter war bei meiner Geburt gestorben. Mein Vater ist also alleinerziehend, doch er ist immer für mich da und ist der beste Vater, den man sich wünschen kann.

Mein Wecker klingelte. Ich stand, wie jeden Morgen, verschlafen auf und ging in die Küche. Auf dem Tisch lag ein Zettel, auf dem stand etwas. Ich las ihn. Es war mein Vater, der geschrieben hatte, dass er früher arbeiten ging. Ich dachte mir nichts, schliesslich musste er uns ja irgendwie durchbringen. Ich ass und ging danach zur Schule. Wenn ich damals schon gewusst hätte, was passiert war, wäre ich nicht so überrascht gewesen, dass ausgerechnet Caroline, die mich sonst immer verspottete und fertigmachte, auf mich zurannte und mich in die Arme schloss. «Ach Angel, das mit deinem Vater tut mir ja so leid!», wimmerte die Blondine, die mir immer noch um den Hals hing. «Danke», sagte ich verwirrt, «aber was meinst du damit?» «Ach du meine Güte, du weisst es wirklich nicht! Schätzchen, dein Vater hatte einen Unfall und liegt nun im Koma», sagte sie süsslich und löste sich von mir. Mir schossen Tränen in die Augen und ich brach zusammen. Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in meine Hände und dachte: «Nein, das darf nicht wahr sein! Nicht noch das Letzte, was ich habe.»

Die Schulglocke klingelte. Zu meinem Erstaunen waren heute und auch die nächsten Tage alle so unglaublich lieb zu mir. Doch an einem Tag, als ich wieder von einem Lehrer, der gehasst wurde, Nachsitzen ohne Grund aufgebrummt bekam und ich wütend wurde, geschah etwas Aussergewöhnliches. Ein Buch flog hinauf und klatschte voll auf seinen Kopf. Ich rannte hinaus, als es klingelte, da er sich immer noch nicht erholt hatte. Solche Dinge geschahen nun immer öfters und mittlerweile war ich mir sicher, dass es immer dann geschah, wenn ich wütend war.

Ich hatte heute Geburtstag und stand seit Langem wieder einmal glücklich auf, weil ich wusste, dass ich nun endlich nicht alleine war, an meinem Tag. Mein Vater war zwar immer noch im Koma, und das seit einem Monat, doch ich hatte nun Freunde. Ich stand in Unterwäsche vor dem Spiegel, um mich zu betrachten, drehte mich um und mir stockte der Atem. Zwei Knochen stiessen aus meinem Rücken hervor.

In den nächsten Tagen konnte ich es zum Glück mit einem weiten Pullover bedecken, doch es wurde immer schlimmer. Ich meldete mich krank, denn ich konnte mich nicht mehr irgendwo anlehnen. Mittlerweile wurden aus den kleinen Knochen schon kleine Flügel mit braunen Federn. «Verflixt, was stimmt mit mir nicht?», fragte ich mich.

Nach einem Monat klingelte es an der Tür. Ich schaute durch ein Fenster und traute meinen Augen nicht. Ich riss die Tür auf und schrie mit Tränen in den Augen: «Dad!» Ich sprang meinem Vater um den Hals, doch mein Vater stiess mich sofort in die Wohnung zurück und folgte mir, als er die mittlerweile schon langen, grossen Flügel sah, die bis zum Boden gingen. Er setzte sich an den Tisch und strich verzweifelt durch seine blonden Haare.

«Angel… Ich muss mit dir reden! Versprich mir, nicht reinzureden und mich danach nicht zu hassen, bitte.» Ich nickte gespannt und er begann zu erzählen: «Ich habe dich dein Leben lang mit einem Zauber belegt, dass dir weder Flügel wachsen, noch dass du magische Kräfte kriegst. Deine Mutter ist nicht bei deiner Geburt gestorben. Sie wurde ermordet von ihren Artgenossen. Für die anderen ihrer Art war sie eine Schande. Ich hatte Angst um dich, deshalb habe ich geschaut, dass du normal bist. Aber du Angel, bist ein… Engel. Wie deine Mutter kannst du heilen, Dinge fliegen lassen und selber fliegen.»

Ich atmete tief ein und aus und fragte leise: «Wo ist sie? Ich meine, meine Mutter.» «Ich weiss es nicht. Sie hat sich in Federn aufgelöst, als sie gestorben ist.» Mir stiegen Tränen in die Augen. Eine Träne rollte mir über meine Wange. Ich wünschte mir damals nichts lieber, als dass sie gerade bei mir wäre und dass sie mich in ihre Arme schliesse.

Ich spürte von einem Augenblick zum Nächsten zwei kräftige Arme, die mich umschlossen. Zeitgleich wurde ich auch noch von mächtigen, weissen Flügeln umhüllt. Die Frau blickte mir tief in die Augen. Anders als ich trug sie schwarze Haare und hatte fast schon weisse Augen. Sie sagte lieblich: «So, meine Tochter hat braune Haare, braune Flügel, blaue Augen und kann auch noch Tote mit Willenskraft heilen. Genauso, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Du bist wunderschön, meine Liebe.» Sie lächelte.

Wir lebten noch glücklich als Familie zusammen. Meine Mutter brachte mir alles bei, was man als Engel können muss. Und zu zweit flogen wir über die Wolken.

 

 

 

 

 

 

 

 

Andrin, 5.Kl.